Wenn sich gegen 12 Uhr mittags eine Menschenmenge am Hohen Markt bildet, dann hat das mit einer ganz besonderen Sehenswürdigkeit zu tun. Um diese Zeit bewegen sich 12 Figuren aus der Geschichte Wiens durch die berühmte Ankeruhr, eines der herausragendsten Werke des Jugendstils.

Die Uhr als Brücke

Eigentlich ist die Ankeruhr eine Brücke, die zwei Gebäudeteile auf dem Hohen Markt in der Wiener Innenstadt miteinander verbindet. Die Uhrbrücke spannt sich dabei zehn Meter weit über den Bauernmarkt von einem Teil des Ankerhofes zum anderen.

Sie hat einen Durchmesser von vier Metern und befindet sich in einer Höhe von 7,5 Metern. Entworfen wurde die große Spieluhr vom Jugendstilmaler Franz Matsch. Die Brücke wird von vier Konsolen getragen. Auf der Vorderseite zeigen diese Adam und Eva, an der Hinterseite befinden sich Engel und Teufel.

Eine Sonne zeigt sich genau über der Uhr. Zu ihrer Linken und Rechten sind ein Kind mit Schmetterling und eine Sanduhr zu sehen. Das Kind mit Schmetterling symbolisiert das Leben, während die Sanduhr den Tod darstellen soll.

Lineare Zeitmessung

Die Uhr an sich ist jedoch kein klassischer Kreis. Die 60 Minuten sind auf einer horizontalen Strecke dargestellt. Die einzelnen Abschnitte auf der Zeitskala entsprechen je fünf Minuten. Die Viertelstunden sind durch Ziffern markiert.

Jede einzelne der 12 Figuren benötigt für ihren Weg von 0 bis 60 genau eine Stunde. Eine römische Stundenziffer mit vergoldeten Flügeln schwebt über den Figuren, um die Zeit anzuzeigen. Jede Figur bewegt sich zu einem passenden Musikstück.

Zum Stundenwechsel erklingt ein Stundenschlag. Pünktlich um 12 Uhr bewegen sich alle Figuren hintereinander vorbei, während ein Musikstück gespielt wird. Die Figuren sind zwischen 2,6 und 2,8 Meter hoch. Sie bestehen aus Kupfer. Die Auswahl der Figuren nahm der Künstler Matsch persönlich vor. Sie haben alle geschichtliche Bedeutung für unsere Stadt.

Eine Uhr für eine Versicherung

Im Jahr 1911 entstand der Plan, eine große öffentliche Uhr am Firmensitz der Versicherungsgesellschaft “Der Anker” zu errichten. Der Jugendstilmaler Franz Matsch sorgte für die künstlerische Gestaltung.

K.u.k. Hof- und Kammeruhrmacher Franz Morawetz übernahm die Konstruktion des Uhrwerks. Neben diesen beiden waren noch zahlreiche Wiener Unternehmen und Handwerker an der Umsetzung des Projekts beteiligt.

Die Versicherung bezog das Firmengebäude, das Ankerhaus, im Juni 1914. Die Uhr sollte im Herbst fertiggestellt werden. Doch ein geschichtliches Ereignis verhinderte das. Der Erste Weltkrieg hatte begonnen und damit Material- und Personalknappheit. Der Bau verzögerte sich und erst im Dezember 1914 wurde die mechanische Orgel unter dem Beifall der Wiener erstmals in Betrieb genommen.

Stille während des Krieges

Im Sommer des darauffolgenden Jahres wurde die Uhr fertiggestellt. Der Probelauf fand zum Geburtstag des Kaisers im August 1915 statt. Nach einem weiteren Probelauf blieb die Uhr still. Man wollte sie erst nach Kriegsende endgültig in Gang setzen. Doch mit Kriegsende kam auch das Ende der Monarchie.

Einige der Figuren in der Ankeruhr hatten jedoch Bezug zum Kaiserhaus und auch die Kaiserhymne war nun nicht mehr aktuell. Also wurde die Uhr einfach ohne großes Zeremoniell wieder eingeschaltet. Das Musikprogramm wurde ebenso geändert wie einige der Figuren. Statt der Kaiserhymne erklang nun “Die Schöpfung” von Haydn.

Im Zuge des Zweiten Weltkriegs erfuhr die Ankeruhr schwere Beschädigungen durch Brandstiftung. Die Orgel konnte nicht wieder hergestellt werden. Eine Tonanlage wurde installiert. Die Uhr ging im Jahr 1956 wieder in Betrieb und ist seitdem eine beliebte Attraktion unserer Stadt.

Lage/Anreise